Ausgangslage

Ein großer Finanzdienstleister mit mehr als 10.000 Mitarbeitern baut im Laufe der nächsten Jahre in mehreren Bauabschnitten neue, moderne Bürogebäude. Der neue Bürokomplex soll dabei modernsten Ansprüchen genügen. Die Architektur und Ausstattung soll das, was heutzutage als Arbeitswelt 4.0 bezeichnet wird, möglich machen. Im Rahmen des 1. Bauabschnitts werden ca. 1200 Mitarbeiter, die bislang größtenteils in Einzel- oder Kleinraumbüros gearbeitet haben, zum Jahresende umziehen. Neben zahlreichen Teilprojekten, die sich mit Themen wie z. B. Gebäudeservices, Gastronomie, Logistik, Sicherheit, Arbeitsplatz- und Veranstaltungstechnik beschäftigen, soll durch ein flankierendes Changemanagement schon vor dem Umzug sichergestellt werden, dass die betroffenen Mitarbeiter wie auch Führungskräfte diesen Umzug auch als kulturelle Veränderung auf dem Weg zur Arbeitswelt 4.0 verstehen und annehmen können.

Projektleiter Christian Brauner, geschäftsführender Gesellschafter bei Detego, erklärt:

„Das Potenzial einer modernen Bürolandschaft kann nur dann vollumfänglich gehoben bzw. genutzt werden, wenn dies auf eine entsprechende Unternehmens- und Führungskultur trifft. Dies ist natürlich wie jede Kulturveränderung ein Prozess, der seine Zeit braucht. Aber wer sich um dieses Thema erst nach einem Umzug kümmert, hat schon mal einige Produktivitätsverluste ohne Not zu verkraften.“

 

PERSPEKTIVE DER MITARBEITER

Wer ggf. jahrzehntelang in einem Büro mit maximal ein oder zwei weiteren Kollegen gearbeitet hat und nun auf einer Bürofläche mit rund 35 KollegInnen arbeiten soll, stellt sich Fragen wie „Wie wird die Geräuschkulisse sein und kann ich dabei noch konzentriert arbeiten?“, „Gibt es einen Sichtschutz oder werde ich jetzt durch alles Mögliche abgelenkt?“, „Kann jetzt jeder sehen, was ich wann mache?“, „Wie und wann nutze ich diese „neumodernen Dinge“ wie „Alkoven-Sofas“, „Steh-Benches“, „Think Tanks“ und „Rückzugsräume“?, „Kann ich private Geräte wie Wasserkocher, Kaffeemaschine mitbringen?“, „Kann ich einen Sonderstuhl wie jetzt auch erhalten?“ usw.. Die Liste der „FAQ´s“ ist weitaus länger als man glauben mag und hat alle denkbaren Facetten. Das ganze macht deutlich: es ist keineswegs so, dass sich alle Mitarbeiter auf das Neue freuen.

 

PERSPEKTIVE DER FÜHRUNGSKRÄFTE

Frischluftfanatiker treffen auf Dauerfröstler, Lichtsuchende auf Dämmerungsarbeiter, „Lautstarke“ treffen auf Lärmempfindliche, Arbeitsplatzesser auf Geruchssensible: das Arbeiten im sogenannten „Flexbüro“ kann in der Anfangsphase Konfliktpotenziale haben, die es vorher zumindest in dieser Tragweite nicht gab. Hier kann man auf die Selbstorganisation der Teams setzen. Aber was mache ich als FK, wenn das nicht funktioniert? Und wie sollte man diese moderne Infrastruktur überhaupt am besten nutzen? Neben der Zusammenarbeit im Flexbüro kommen noch Themen wie „Desksharing“ (ein Arbeitsplatz hat nicht mehr zwingend einen fest zugeordneten Mitarbeiter) und verstärktes mobiles Arbeiten (Stichwort „Führen auf Distanz“) sowie Arbeitszeitflexibilisierung (Stichwort: „Vertrauen“) ins Spiel und damit wieder neue Führungsherausforderungen, aber eben auch neue Chancen. Führungskräfte sollten auf diese Themen bereits vor dem Umzug mental vorbereitet sein.

 

PERSPEKTIVE DES BETRIEBSRATS

Als Interessenvertreter der Mitarbeiter ist der Betriebsrat wie bei allen ähnlichen Veränderungsvorhaben von Anfang an mit einzubeziehen. Gesetzliche Rahmenbedingungen sind zu beachten und Betriebsvereinbarungen sind ggf. neu auszuhandeln.

 

PERSPEKTIVE DES TOP-MANAGEMENTS

Die Mitarbeiter, aber auch die Außenwelt und insbesondere Bewerber sollen den Campus als höchst attraktive Arbeitsumgebung empfinden. Mittels einer guten Desksharingquote soll aber auch eine gewisse Flächeneffizienz sichergestellt werden und somit Kosten eingespart werden. Und grundsätzlich soll die Immobilie mit ihren Möglichkeiten den Weg zur Arbeitswelt 4.0 unterstützen.

 

PERSPEKTIVE DES FLANKIERENDEN CHANGE-MANAGEMENTS

Das Change-Management muss all die oben erwähnten Perspektiven beachten: die Bandbreite geht von zielgruppenspezifischem Informieren über Diskutieren, Sensibilisieren und Qualifizieren. Die ersten Maßnahmen wurden ca. 1,5 Jahre vor dem geplanten Umzug gestartet. Konkret wurden folgende Aktivitätstypen (vor dem Umzug) durchgeführt:

  • Nutzung der firmeninternen Kommunikationskanäle wie Firmenzeitschrift, Campus-News, Campus-ABC, Videos, Simple-Show, Baustellenkamera, Zeitrafferfilm
  • Kick-off Veranstaltung mit allen betroffenen Führungskräften
  • Baustellenführungen und später Begehungen eines Musterbürokomplexes für alle Mitarbeiter
  • Workshops mit den Betriebsräten
  • „Max-Mix-Workshops“ (OE- und hierarchieübergreifend) zur Aufnahme von Erwartungen und zur Qualitätssicherung des Campus-Konzepts
  • Auswahl von „Campus-Paten“ als Multiplikatoren (Mitarbeiter und Führungskräfte über alle Hierarchieebenen)
  • Workshops für die Campus-Paten
  • Workshops mit Führungskräften je Abteilung / Bereich
  • Qualifizierung zur Nutzung moderner Tools und Technologien, die die Zusammenarbeit auf Distanz unterstützen

Nach dem Umzug sind ein kontinuierlicher Feedback-Prozess mit dem „Sounding-Board“ und eine Nutzungsevaluation geplant.

Brauner erläutert abschließend:

“Auch wenn die Führungskräfte selbst die Rolle des Change-Managers verkörpern sollten, ja müssen, sind sie durch ein engagiertes Beraterteam zu unterstützen. Dabei ist das Beraterteam gemixt zu besetzen, denn nicht für jede Aktivität ist der externe Berater prädestiniert und umgekehrt. Weitere Merkmale einer Arbeitswelt 4.0 wie etwa Agilität, Selbstorganisation und Innovation sind nicht zu unterschätzende Kulturveränderungen, die in separaten Projekten ergänzend adressiert werden sollten. Der Umzug allein wird dafür nicht hinreichend genug sein. Und man sollte sich immer darüber im Klaren sein, dass das alles am Ende für den Kunden positiv wahrnehmbar werden sollte: durch attraktive, innovative Produkte und Dienstleistungen.”

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