Manchmal wundert man sich. Da ist ein großes Projekt mit hochkarätigen Experten besetzt, alle Experten geben ihr Bestes und machen eine Überstunde nach der anderen – und trotzdem werden die gesteckten Ziele nicht erreicht. Wie kann sowas passieren? Oft hört man dann, dass der Projektleiter das Projekt nicht in den Griff bekommen hat. Er wird ausgetauscht und das Spiel beginnt von vorne – Ausgang ungewiss.
In solchen Situationen lohnt sich ein übergeordneter Blick auf das Zusammenspiel im Projekt. Denn genau hier liegt aus meiner Sicht einer der wichtigsten Schlüssel zum Projekterfolg. Oft heißt es, „Ach, wir sind doch alles erwachsene Menschen – wir müssen uns nur zusammenraufen, dann klappt die Zusammenarbeit schon!“
Aber warum gelingt allzu oft eine übergreifende Zusammenarbeit von Projektgruppen, von Abteilungen oder Bereichen so wenig?
Die Organisation unter der Lupe
Schauen wir uns dazu eine Organisation genauer an. Die Organisation braucht viele Teams, um sich organisieren zu können und um ihren Unternehmenszweck zu erfüllen. Jedes Mitglied einer Organisation hat mindestens eine Zugehörigkeit zu einer Gruppe. In der Regel sind es jedoch mehrere Zugehörigkeiten, z.B. gehört eine Führungskraft einer Gruppe von Führungskräften an, zusätzlich leitet sie eine Gruppe von Mitarbeitern und arbeitet wahrscheinlich noch in diversen Projektgruppen mit.
Die Gruppe grenzt sich ab
Kommt eine Gruppe neu zusammen, muss sie sich mit ihren zugehörigen Mitgliedern erst einmal auf sozialer Ebene finden und für sich eine gemeinsame Arbeitsweise entwickeln. Das fordert der Gruppe bereits viel ab, denn es treffen unterschiedliche Sicht- und Arbeitsweisen, Kommunikationsstile und Werte aufeinander. Ist eine Gruppe endlich einigermaßen arbeitsfähig, dann gibt es ein gruppendynamisches Gesetz auf sozialer Ebene, was immer zutrifft: Die Gruppe fängt an, sich nach außen abzugrenzen. Denn jede Teamdurchmischung würde nun bedeuten, dass das Team wieder von vorne anfangen müsste.
Die Organisation ist der Gegner eines Teams
Nun ist solch eine Gruppe auch Teil einer Organisation. Die Organisation möchte einen klaren Informationsfluss, sie möchte Kooperation und Teamdurchmischung – insbesondere die agile Organisation. Aber das Team hat ein ganz anderes Interesse. Dem Team gehen diese Anforderungen „von außen“ absolut gegen den Strich, denn es sucht für sich die Grenze. Damit wird klar, dass die Gruppe auf sozialer Ebene ein klarer Gegner der Organisation ist. Das erlebt man dann als Silodenken. Die Gruppenmitglieder interessieren sich nicht für die Themen aus den anderen Teams.
Aus Organisationssicht ist das ein großes Problem, denn es geht viel Potenzial verloren. Aus Gruppensicht ist es jedoch gut nachvollziehbar. Die Gruppe sorgt für eine starke Zugehörigkeit seiner Mitglieder zur Gruppe.
Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen
Deutlich wird dieses Abgrenzungsverhalten z.B. auch beim Umgang mit Informationen. Vielen Projektgruppen muss man hinterherlaufen, um Informationen über den aktuellen Projektstatus zu bekommen. Führungskräftekreise halten Informationen zurück, wenn sie noch nicht spruchreif sind. Und wenn doch, dann sind die Informationen oft nur für Mitglieder dieser Gruppe bestimmt. Häufig geht es aber auch um ein Kräftemessen zwischen Gruppen. Welche Gruppe ist am stärksten, hat am meisten Einfluss, kann sich am besten durchsetzen.
Bewusstes Wahrnehmen des Spannungsfelds
Dieses soziale Phänomen zwischen Gruppe und Organisation löst sich nicht von selbst auf. Der erste Schritt ist aus meiner Sicht, sich dieses Spannungsfeldes überhaupt bewusst zu machen, es wahrzunehmen und es zu verstehen. Im zweiten Schritt kann ich mir als Führungskraft oder Beraterin dann Interventionen überlegen, die eben dieses Spannungsfeld im Fokus haben.
Gerade in Zeiten, wo die Komplexität immer größer wird, die Organisation vor großen Herausforderungen steht und darauf angewiesen ist, dass sich Teams flexibel durchmischen, ist es der bewusste Umgang mit dem Spannungsfeld zwischen Team und Organisation, der stark über den Projekt- bzw. Organisationserfolg mitentscheidet.
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