Einen Begriff zu nutzen und ihn zu leben, ist nicht identisch. Leadership ist ein solcher Begriff, der eine tiefe Durchdringung erfordert, ein tiefes Verstehen. Erst dann ist es möglich, sich den Fragen der Umsetzung im Unternehmenskontext zu nähern. Sich in jeder Situation, in der ein authentisches, ein zukunftsweisendes Führen erforderlich ist, neu mit den Möglichkeiten und auch den Grenzen des Mach- und Denkbaren auseinanderzusetzen. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, reflektieren wir in unserer Leadership 2.0-Arbeitsgruppe Situationen, mit denen wir – ein Netzwerk aus Beratern und Führungspersönlichkeiten in Unternehmen – konfrontiert sind.
Was ist Leadership überhaupt? Auf den ersten Blick ein sehr abstrakter Begriff, oft mit ‚bloßer‘ Führung eines Unternehmens, einer Abteilung, mit dem Management von Abläufen gleich gesetzt. Einer muss es ja machen – und wer? Der Leader natürlich! In diesem Verständnis also die Führungskraft als Manager. Das ist zu kurz gegriffen. Weil es vorrangig auf rein rationale Erwägungen abzielt, auf das auf Zahlen, Daten, Fakten beruhende Management von Situationen und Mitarbeitern. Leadership ist mehr.
Die aktuelle Gehirnforschung belegt: Nur vier Prozent unseres geistigen Potentials spielt sich in der uns bewussten, der Zahlen, Daten, Fakten-Ebene ab, dem Bereich unseres expliziten Wissens. Über 95 Prozent unseres Wissens ist im Unterbewusstsein angesiedelt, in der Wissenschaft auch implizites Wissen genannt, das auf Empfindungen, Gefühlen, Motiven und (Lebens-)Werten beruht, die uns in unserer Persönlichkeit ausmachen. Derer wir uns aber im Moment des Handelns nicht bewusst sind.
Machen Sie einfach einmal einen kurzen Check: Wofür interessieren Sie sich? Nicht nur im Unternehmenskontext sondern auch im privaten Umfeld? Was sagt das über Sie aus? Wie sehr folgen Sie in Ihrem Handeln bestimmten Mustern, ohne sich dessen bewusst sein?
Alle klassischen Führungsmodelle, Instrumente und Verfahren sind auf die Betrachtung und Verbesserung der vier Prozent unseres bewussten Wissens ausgerichtet. In unserer Arbeitsgruppe Leadership 2.0 geht es uns darum, an die 96 Prozent unseres impliziten Wissens heran zu kommen! Und in diesem Moment stellt sich die Frage, welche innere Haltung und welche Praxis öffnet mir den Zugang zu diesem riesigen Potential!? Auf diese Fragen Antworten zu finden, sehen wir als Aufgabe unserer Arbeitsgruppe.
Seit etwas mehr als zwei Jahren treffen sich im regelmäßigen Turnus sechs Mitstreiter dieser Arbeitsgruppe, in der wir uns dem Phänomen Leadership sozusagen im Selbstversuch nähern. Unser Ziel ist es, ein auf den ersten Blick sehr abstraktes Thema mit Leben zu füllen, Zugänge für jeden von uns finden, um in unserer Arbeit in tiefem Sinn zu verstehen, welche Optionen denk- und machbar sind – und wie wir zu individuell-tauglichen Lösungen gelangen. Leadership wird immer auch gemessen am konkreten Unternehmensalltag und den Bedingungen, die dort herrschen. Was in dem einen Unternehmen als Führungshandeln sinnvoll ist, kann ein anderes zu diesem Zeitpunkt überfordern.
In unseren Treffen entschleunigen wir zuerst, wir beginnen mit einer 15-Minuten-Meditation, bevor wir uns dann mit hoher Intensität und Klarheit in unsere Arbeit begeben. In diesem gemeinsamen Erleben und Arbeiten ist sehr viel Vertrauen gewachsen. Gegenseitiges Vertrauen, aber auch Vertrauen in den Prozess, dass sich die richtigen Themen zeigen werden. Die Ehrlichkeit und der Mut aller Beteiligten zur Wahrhaftigkeit, zum Eingestehen von Hindernissen und Hemmnissen ist für mich das wirklich Besondere an diesen Treffen. Und ich meine, dies ist auch ein Merkmal von Leadership: Nicht gleich mit vermeintlich passenden Lösungen nach vorne preschen sondern in tiefer innerer Ruhe sondieren, was jetzt, in diesem Moment wirklich wichtig und angemessen ist.