„Die Falschen an der Spitze“, warnte das Onlineportal „karriere“ der Verlagsgruppe Handelsblatt. Bis zu 70 Prozent der Arbeitszeit von Chefs fließen in das Sichern der eigenen Position, haben etliche Studien nachgewiesen. Je größer der Konzern, desto stärker das Phänomen: für Mitarbeitermotivation oder gar Ethik bleibt da kaum Raum. Der im Beitrag zitierte Präsident des Verbandes der Personalmanager, Joachim Sauer, sieht ein Grundübel darin, dass zu oft die reine Fachkraft an die Spitze käme, die nicht wüsste, was Führung heißt.
Führungsverständnis: Die beste Fachkraft im Unternehmen?
Kommen wir zuerst zum „Grundübel“ Fachkraft: Es ist geradezu erschreckend, dass sich dieses Prinzip hartnäckig in unserem Wirtschaftssystem zu halten scheint: Gute Fachkraft gleich guter Manager. Nicht nur auf den unteren Rängen – wo ein höherer fachlicher Anteil in der Führungsrolle noch nachvollziehbar und logisch ist – nein, es zieht sich leider häufig durch bis auf Vorstandsniveau. Dies, obwohl Generationen von Experten und Managementgurus das Thema seit Jahrzehnten an den Pranger stellen.
Dabei ist es doch nur menschlich, dass jemand, der für gutes Fachwissen mit Beförderung belohnt wird, auch weiterhin das in den Vordergrund seines Handelns stellt, worin er sich gut und sicher fühlt – eben das Fachwissen. Das diffuse Thema Führung gerät dann oft ‚unter die Räder‘ und übrig bleibt ein Chef, der sich stets bemüht: nämlich der beste (und mächtigste) Sachbearbeiter sprich die beste Fachkraft zu sein.
Das mitunter typische Ergebnis solch fachlich dominierten Führungsverhalten wurde nie treffender umschrieben als von Marcus Buckingham (ehem. Gallup). Er sagte nämlich:
„People join companies but leave Managers“
Die jährliche Studie von Gallup zum ‚Engagement Index‘ bestätigt diese These praktisch jedes Jahr aufs Neue (mit negativer Tendenz) und man darf sich angesichts des daraus resultierenden Schadens von 122 Mrd. € fragen, wie erfolgreich wir als Wirtschaftssystem sein könnten, wenn wir dieses Thema auch noch in den Griff bekämen.
Die Schlüsselfrage: Führen die Falschen?
Damit kommen wir zur zweiten wichtigen Aussage von Verbandschef Sauer: Sind die Falschen an der Spitze? Hierzu passt unsere Wahrnehmung im Kontext größerer Change-Projekte. Die resümieren wir mit dem Satz „Der größte Feind wirklich nachhaltiger Veränderung sind die Laufzeiten mancher Vorstandsverträge“.
Ein Vorstand in einem börsennotierten Konzern, der für fünf Jahre gewählt ist, hat häufig zuallererst nur ein Ziel: Den Wert seiner Aktienoptionen zu steigern. Nachhaltige Veränderung passt da schlecht rein, da sie meist mit hohen Anfangsinvestitionen verbunden ist.
Kurz: Oft sind den für begrenzte Zeiträume gewählten Vorständen kurzfristige Erfolge wichtiger als die langfristige Wirkung ihres Tuns. Die Versuchung ist groß, den Glanz in der knapp bemessenen Zeit auf sich selbst zu lenken. Rein menschlich nur allzu verständlich. Dennoch – schwarz-weiß-Denken ist auch hier falsch.
Ein Sanierer, der mit dem Rücken an der Wand steht, muss auf das Pferd des raschen Erfolgs setzen. Da braucht es den Druckverband auf der Wunde und nicht die Bachblütentherapie.
Lösung: Situationsadäquat führen

Die Lösung liegt im situationsadäquaten Verhalten. Die Führungslevels im Leadership Agility Denkmodell machen deutlich, worum es geht. Es gibt Situationen, da braucht es die von Verbandspräsident Sauer skizzierte Fachkraft, im Leadership-Agility-Duktus ist das der Führungstyp „Expert“. Es gibt andere Situationen, da ist ein leistungsorientierter Stratege der richtige Mann am richtigen Platz. Bill Joiner nennt ihn in seinem Buch ‚Leadership Agility‘ den „Achiever“.
Die aktuellen Erfordernisse richtig einzuordnen und situationsgerecht zu handeln, das ist das Merkmal des Führungstyps „Catalyst“, der die Fachkraft-Phase und die Phase des leistungsorientierten Strategen bereits absolviert hat. Bei Bedarf greift er jeweils auf Elemente aus diesem Führungsverhalten zurück.
Perspektiven auf Leadership Agility
Führungsperspektiven auf Vertrauen