Ein neuer Mitarbeiter kostet ein Unternehmen zunächst Zeit und Geld. Unternehmen rechnen im Schnitt mit einem Jahresgehalt für die Einarbeitungszeit eines neuen Mitarbeiters, bevor dieser voll und ganz eingesetzt werden kann. Umso wichtiger ist eine gute Einarbeitung, damit das Unternehmen diese Kosten wieder einspielt. Ein neuer Mitarbeiter bedeutet aber nicht nur Investition, sondern auch Gewinn für das Unternehmen.
Hürden eines neuen Mitarbeiter
Werfen wir zuerst einen Blick auf die Hürden, die der oder die „Neue“ nehmen muss: Ein neuer Mitarbeiter kennt die internen Abläufe nicht, weiß nicht, wo er was findet und braucht Hilfe bei den alltäglichen Abläufen. Berufseinsteiger, die frisch von Schule oder Studium kommen, müssen sich zudem auch noch an eine 40-Stunden-Woche gewöhnen. Die Phase der Einarbeitung ist für jeden neuen Mitarbeiter sehr intensiv und mit viel Neuem und Unsicherheit verbunden. Es gilt, sehr viel zu lernen.
- Wie laufen die internen Prozesse ab?
- Welche offiziellen Regeln und welche ungeschriebenen Regeln gibt es?
- Wer sind meine Kollegen und wer ist wofür zuständig?
Frederic M. Jablin, der organisationale Kommunikation erforscht hat, beschreibt einen Vier-Phasen-Prozess, den ein neuer Mitarbeiter durchläuft:
Phase Eins: Der zukünftige Arbeitnehmer kreiert ein Bild von seiner Arbeitswelt
Zukünftige Mitarbeiter entwickeln Erwartungen an die Arbeitswelt, die sogenannte „Vocational Anticipatory Socialization“ Phase.
Jeder von uns hat schon vor seinem ersten Job ein Bild vom Arbeitsleben. Unsere Eltern haben wir morgens zur Arbeit gehen sehen und abends gehört, wie ihr Tag war. Wir haben uns in „Der Teufel trägt Prada“ oder „Stromberg“ die schlimmsten Chefs der Welt angeschaut und uns von unseren Lehren oder Professoren erzählen lassen, wie es wirklich ist, ein Lehrer, Journalist oder Manager zu sein. Wir haben also jahrelang Zeit gehabt, uns ein Bild zu machen, wie es ist zu arbeiten. Und genau diese Erwartungen und Ideen haben wir im Gepäck, wenn wir in einem neuen Unternehmen anfangen.
Phase zwei: Der zukünftige Mitarbeiter sammelt Informationen
Zukünftige Mitarbeiter sammeln Informationen zu einem bestimmten Unternehmen, einer Position oder einem Stellenangebot, die sogenannte „Anticipatory Socilization“ Phase.
Es werden Informationen zum Unternehmen, der Stelle und den Mitarbeitern gesammelt. Jablin geht davon aus, dass in dieser Phase unrealistische und überhöhte Erwartungen entstehen, da Unternehmen normalerweise nur die positiven Aspekte des Unternehmens kommunizieren. Die überhöhten Erwartungen können problematisch werden, sobald sie auf die Wirklichkeit treffen. In dieser Phase befindet sich der zukünftige Mitarbeiter bereits in einer Sozialisierungsphase, bevor er oder sie überhaupt im Unternehmen arbeitet.
Phase Drei: Der Mitarbeiter tastet sich an das neue Arbeitsumfeld heran
Der neue Mitarbeiter beginnt seinen Job im Unternehmen und lernt die Arbeitsstandards und Erwartungen des Unternehmens kennen, dies ist die sogenannte „Encounter“ Phase.
Regeln, Richtlinien, Kollegen, Arbeitsabläufe und noch vieles mehr sind ganz neu oder anders als im vorherigen Job. Die Sorgen und die Unsicherheit in dieser Phase können unter anderem durch die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu beobachten, reduziert werden. Kollegen, Mentoren oder Vorgesetzte spielen hier eine wichtige Rolle und sollten sich dessen bewusst sein.
Phase Vier: Neuer Mitarbeiter und Unternehmen beeinflussen sich gegenseitig
Nun beginnt die „Metamorphosis“ Phase, der neue Mitarbeiter wird vom Outsider zum Insider.
In dieser abschließenden Phase findet eine Metamorphose vom Externen zum Internen statt. Der Mitarbeiter passt sein Verhalten an die Erwartungen des Unternehmens an und nimmt gleichzeitig Einfluss auf seine Rolle im Unternehmen und das Arbeitsumfeld. Ein Mitarbeiter hat sich in dieser Phase an die Regeln angepasst, nutzt jedoch mögliche Freiräume, um sein Arbeitsumfeld mit- und umzugestalten.
Die Chance fürs Unternehmen: Der Blick von außen
In den Phasen 3 und 4 stellt der Mitarbeiter Fragen, hat Ideen und schaut aus einem anderen Blickwinkel auf die vielleicht schon seit Jahrzehnten bestehenden Prozesse. Das bedeutet immer auch eine große Chance für das Unternehmen. Es kommt in gewissem Sinne ein Außenstehender in das Unternehmen – und das birgt viele Möglichkeiten, neue Mitarbeiter schützen vor Betriebsblindheit:
- So kann ein neuer Mitarbeiter eine Art Auslöser dafür sein, dass auf einmal die Ursachen bestimmter, bislang ungelöster Probleme deutlich werden;
- Abläufe und Produkte werden mit anderen Augen gesehen
- und es werden sogar neue Lösungen für alte Probleme entwickelt.
Das Potenzial eines neuen Mitarbeiters, den kritischen Blick, sollten Unternehmen gerade in seinen ersten Monaten nutzen. Herrschen hier klare Rahmenbedingungen, wie in der Einarbeitungsphase mit Fragen und Ideen des neuen Mitarbeiters umgegangen wird, dann profitieren davon alle Beteiligten.
Ein Vorgesetzter, Mentor oder Kollege, der sich aufmerksam die Fragen seiner Neulinge anhört, wird oftmals geradewegs zu möglichen Problemen und Defiziten geleitet. Nicht nur durch Fragen können neue Mitarbeiter viel beitragen, oft verfügen sie auch über Erfahrungen, Wissen oder haben Interessen, die für das Unternehmen von großem Wert sein können. Diesen Schatz kann das Unternehmen jedoch erst dann heben, wenn die Beteiligten sich die Zeit nehmen, ihre Mitarbeiter kennenzulernen und sich zu öffnen für Neues.