Diese Töne aus Unternehmen sind uns nicht fremd: „Schon wieder ist ein Berater durchs Haus gezogen und hat Weisheiten verkündet, wie’s garantiert klappt mit der überzeugenden Führung; das klappt tatsächlich eine Zeit lang. Bis sich der Reiz des Neuen verwirkt hat, und dann ist es hinterher oft schlimmer als zuvor“. Ja, so ist das mit den Theorien von der Stange, deren Befolgung Erfolg sichern soll.
Generalisierte, für alle Unternehmen und Führungskräfte gültige Führungstheorien sind – zumindest unserer Meinung nach – ein Widerspruch in sich. Denn Führung ist so individuell wie die Organisation, in der die Führungskraft arbeitet. Genau wie der Mensch in dieser Position und die Mitarbeiter, die er führt. Steigen wir einfach mal schrittweise ein. Wir beginnen zwischen einem stabilen und einem dynamischen Unternehmensumfeld zu unterscheiden. Beide „Zustände“ lassen sich recht valide durch acht Faktoren in ihrer jeweiligen Charakteristik bestimmen.
Das Unternehmen: Stabilität versus Dynamik
Grundverständnis
- In einem stabilen Umfeld sind die Dinge festgelegt. Das Unternehmen funktioniert wie eine hochentwickelte Maschine. Jeder Vorgang und jedes Tun folgt einem festen Plan. Wenn hier ein ‚Schräubchen“ ausfällt, besteht die Gefahr, dass die ganze ‚Maschine‘ streikt.
- Ein dynamisches Unternehmen funktioniert als Organismus. Dieser reagiert jederzeit auf Veränderungen und verhält sich im Moment der Veränderung anders, als wenn es die Veränderung nicht gegeben hätte. In einem dynamischen Unternehmen dominieren Wachheit und Aufmerksamkeit für (vermeintlich) Unvorhersehbares.
Glaubwürdigkeit
- Im stabilen Umfeld ist die Retrospektive entscheidend – „hat sich das Unternehmen bisher als vertrauenswürdig erwiesen und seine Versprechungen gehalten?“.
- In einem dynamischen Umfeld gewinnt die Prospektive die Oberhand – „wird das Unternehmen auch künftigen Anforderungen gerecht werden?“
Managementverständnis
- In einem stabilen Unternehmen ist der Manager eher Optimierer bereits fest determinierter Abläufe.
- Der Manger einer dynamischen Organisation gestaltet die stetige Veränderung mit.
Führungskompetenz
- Im stabilen Unternehmen gilt derjenige als erfolgreicher Manager, dem es gelingt, das Bestehende zu optimieren und Unsicherheiten und Unwägbarkeiten zu minimieren.
- In einem dynamischen Umfeld ist der Fokus auf das Finden neuer Lösungen gerichtet, darauf, was vorher noch nicht da war, um das Unternehmen für die Zukunft fit zu machen.
Planung
- In einem stabilen Unternehmen wird der einmal eingeschlagene Weg nicht mehr verlassen.
- Ein dynamisches Unternehmen ist bereit zu Kurskorrekturen hinsichtlich der Wegstationen auf dem Weg zum Ziel.
Karriere
- In einem stabilen Unternehmen wird der Begriff der Karriere als stetiger Aufstieg in der Unternehmenshierarchie vorrangig linear begriffen. Hier ist die Aussicht auf Beförderung ein Motivationshebel.
- In einem dynamischen Unternehmensfeld liegt der Fokus auf der Freude des Mitarbeiters, Neues zu lernen und Erfahrungen zu sammeln.
Vorhersehbarkeit
- Das stabile Unternehmen setzt auf klare Regeln und feste Rollenzuteilungen.
- Hingegen das dynamische sich ständig neu definiert (wenn erforderlich) und auf die Integration sich erst abzeichnender Marktentwicklungen in das unternehmerische Handeln setzt.
Führungsautorität
- Im stabilen Umfeld ist die Innovation bei der Führungsspitze angesiedelt, die auch dafür sorgt, dass Entwicklungen validiert und evaluiert werden.
- In einem dynamischen Unternehmen versteht sich die Führungskraft eher als Kommunikator, der seine Mitarbeiter durch zielführende Kommunikation inspiriert und überzeugt und sie in die Gestaltungsprozesse einbindet.
Je höher die Frequenz und Anzahl der Veränderungen ist, desto weniger kann es um die Optimierung der stabilen Unternehmensmentalität gehen. Es geht um einen Paradigmenwechsel, neue Gesetzmäßigkeiten bestimmen die Lage. Leadership 2.0 ist gefragt – das heißt
- Umgang mit hoher Komplexität
- Umgang mit zeitweiliger Lösungslosigkeit
- Umgang mit Ungewissheit.
Hinweis: Dieser Beitrag ist in Auszügen dem Buch “Change Management im Vertrieb – das Praxishandbuch für Entscheider” Haufe-Verlagsgruppe, entnommen.
Eine Leseprobe zum Buch finden Sie hier.