Veränderung bedeutet für Menschen immer auch das Aufgeben von etwas. Gewohnheiten geben Sicherheit und damit Vertrauen in das Bekannte. Im Change steht genau das zur Disposition. Für den Change-Manager ist es daher eine der wichtigsten Aufgaben, frühzeitig zu checken, welche (Querschnitts-)Prozesse, Rituale oder Anreize es gibt, die auf das Erreichen des Veränderungsziels maßgeblich Einfluss haben könnten. Im positiven als auch im negativen Sinne.
Hier sind zwei Perspektiven aus jeweils einer entgegengesetzten Blickrichtung interessant: Welche Rituale
- könnten einerseits das Erreichen des gewünschten Veränderungsziels behindern oder gar torpedieren oder
- müssten andererseits überdacht, ggf. sogar neu inszeniert werden, um im Sinne der Veränderungsziele gewünschte Verhaltensweisen bzw. Ergebnisse anzukurbeln oder zu „belohnen“?
Welche Rituale torpedieren das Veränderungsziel?
Nehmen wir einmal an, ein Vertriebsleiter hat den Eindruck, dass seine Mannschaft sich auf den Bestandskunden „ausruht“. Er will seine Leute zur verstärkten Gewinnung von Neukunden motivieren. Zuerst überlegt er, welche bislang gepflegten Rituale das Ziel „Neukundengewinnung“ torpedieren könnten und stößt dabei gleich auf drei Faktoren:
- Bisher konnten Reisekosten für Kundenkontakte nur bei Kunden ab einem gewissen Jahresumsatz abgerechnet werden;
- bisher wurden Vertriebler, deren Bestandskunden einen gewissen Jahresumsatz überschreiten, besonders geehrt oder materiell belohnt;
- bisher durften Marktrecherchen nur von einer anderen Organisationseinheit durchgeführt werden, die entsprechende Anfragen ihrerseits als Mehrbelastung empfindet und hierfür eigentlich gar keine Ressourcen zur Verfügung hat.
Allein diese drei Beispiele verdeutlichen die Barrieren im Vertriebsalltag, die den Vertriebsmitarbeitern jeglichen Anreiz für das Ziel ‚Neukundengewinnung‘ nehmen und sich als Demotivationstatorte darstellen.
Warum sollten die Mitarbeiter dieses Ziel engagiert verfolgen,
- wenn entweder nicht akzeptable Begleitfaktoren – wie die Koppelung von Reisekostenerstattung und Jahresumsatz mit dem Kunden – den Weg zum Ziel mühsam machen, denn bei „Neukunden“ kann noch kein Umsatz erzeugt worden sein,
- oder wenn das Alte – also die Bestandskundenpflege – nicht aber das Neue belohnt wird
- oder wenn Abläufe in der Organisationsstruktur eher blockierend als fördernd wirken.
Welche Rituale können neu etabliert werden?
Im nächsten Schritt sollte also der Vertriebsleiter checken, wo und wie er neue Rituale inszenieren und etablieren kann.
- Im jährlichen Mitarbeitergespräch wird das Thema „Neukundengewinnung“ explizit als Beurteilungsfaktor aufgenommen,
- Vertriebler, die Neukunden generiert haben, werden in Newslettern oder auf Meetings besonders hervorgehoben bzw. geehrt und
- der Umsatz mit Neukunden wird besser gewichtet bzw. bewertet als der Umsatz mit Bestandskunden.
Rituale: Das Ein-mal-Eins für den Change-Manager
In beiden Perspektiven
- welche Rituale torpedieren das Veränderungsziel und
- welche Rituale sollten neu generiert werden
lässt sich die Liste möglicher Praxisbeispiele beliebig erweitern. Unerlässlich ist daher, dass der Change-Manager die Anreiz-Systeme in seinem Unternehmen kennt und bei jeder Veränderung überprüft bzw. überprüfen lässt. Und dass ihm klar ist, dass er die intendierte Veränderung nur sehr viel langsamer erreicht bzw. deren Nachhaltigkeit gefährdet, wenn ihm hier gravierende Fehler unterlaufen.
Hinweis: Dieser Beitrag ist in Auszügen dem Buch “Change Management im Vertrieb – das Praxishandbuch für Entscheider” Haufe-Verlagsgruppe, entnommen
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