Stellhebel im Change: Was ist eine angemessene Kommunikation?
Kaum ein Wort wird so selbstverständlich verwendet und doch so unterschiedlich verstanden bzw. gelebt. Kaum jemand bezweifelt ernsthaft die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit von Kommunikation. Selten aber wird der Change-Manager für eine „angemessene Kommunikation“ gelobt, denn niemand kann definieren, was wirklich angemessen ist. Entweder wird eine Informationsflut oder ein Informationsmangel beklagt. Manchmal auch beides gleichzeitig, was darauf schließen lässt, dass bei den Adressaten das für sie Entscheidende nicht „angekommen“ ist – aus welchen Gründen auch immer.
Kommunikation erfolgt fortlaufend während eines gesamten Veränderungsprozesses. Es gibt allerdings Situationen, in denen das Kommunizieren besonders wichtig ist, etwa beim Start einer Veränderung oder beim Erreichen von Meilensteinen und „Quick-Hits“.
Redundanz ist wünschenswert – und notwendig
Wesentliche Inhalte einer Veränderung werden ohnehin nicht nur einmalig zu erwähnen sein, sondern immer wieder während des Veränderungsprozesses, der ein Übergang vom alten in den neuen Zustand ist. Zu den wiederkehrenden Kommunikationserfordernissen gehören u. a.
- die Auslöser einer Veränderung sowie
- die Antwort auf die Frage „Welche Risiken würden entstehen bzw. größer werden, wenn alles beim alten bliebe?“ und natürlich
- der Nutzen und die Ziele einer Veränderung.
Diese Redundanz ist hier ausnahmsweise nicht nur nicht schädlich, sondern absolut erwünscht bzw. notwendig: man muss wichtiges, längst Gesagtes und Geschriebenes immer wieder hervorheben und erläutern – also standhaft bleiben – um im Übergangsprozess von Alt zu Neu nicht in Alt zurückzufallen. Insbesondere dann, wenn es um Verhaltens- und Einstellungsänderungen geht, ist Beharrlichkeit angesagt.
„In dem Moment, wo ich durch meine permanenten Wiederholungen zum Thema ‚Kundenorientierung‘ meine Mannschaft nerve, beginnt der Prozess der Verhaltens- und Einstellungsänderung.“ Ausspruch eines Change-Managers
Das perfekte Zusammenspiel von Wort und Schrift
Kommunikation kann und muss schriftlich wie mündlich erfolgen. Der Vorteil des Schriftlichen ist die jederzeitige Nachlesbarkeit. Wichtiges wird so nachhaltig transportiert, das Geschriebene ermöglicht es, Details festzuhalten und nachschlagen zu können.
Der Vorteil des Mündlichen liegt vor allem darin, dass
- die Betroffenen Information „live“ und aus erster Hand erhalten können,
- die Informationen mit Emotionen und Empathie versehen werden können,
- unter Umständen Formulierungen gewählt werden können, die man schriftlich keinesfalls so abgegeben hätte aus den unterschiedlichsten (politischen) Gründen.
Kommunikation ist immer eine Mischung aus Wort und Schrift und folgt dem Grundsatz: „Tue nichts nur mündlich und tue nichts nur schriftlich!“.
„Kommunikation“ – Lästige Pflicht
Kommunikation ist für viele Führungskräfte anstrengend und häufig auch „nervig“: Man muss anderen etwas erklären, plausibel machen, begründen, was man selbst schon durchdrungen bzw. analysiert hat. Im Sinne einer Zeitreise ist man gedanklich schon im Zielzustand der Zukunft, während sich die Mitarbeiter noch in tiefer Gegenwart oder gar Vergangenheit befinden.
Im umgekehrten Fall, dass man eben selbst noch nicht alles durchdrungen hat, existiert die Angst vor Fragen, die man nicht vollständig beantworten kann. Außerdem bedeutet Kommunikation immer zusätzlichen Arbeitsaufwand und braucht Begabung bzw. die richtigen Mitstreiter, die einem hier zuarbeiten. Kommunikation im Veränderungsprozess ist erforderlich, um
- die Veränderungsziele überhaupt zu erreichen,
- möglichst wenig Produktivitätsverlust zu haben und
- möglichst wenig ungewünschte Fluktuationen hinnehmen zu müssen.
Und: Bei jeder Veränderung gibt es Widerstand in der Mitarbeiterschaft. Ohne Kommunikation aber werden aber Missverständnisse und Missdeutungen gravierend steigen, was wiederum flächendeckend zu noch mehr (unnötigem) Widerstand und Ablehnung bei allen Zielgruppen führt.
Der Kommunikationsplan
Hier spielen die großen „W“ die entscheidende Rolle.
- Wem, also welcher Zielgruppe
- soll was, also welcher Inhalt,
- und wann, zu welchem Zeitpunkt oder in welchem Zeitzyklus,
- in welcher Form kommuniziert werden?
- Welche Informationskanäle sind denkbar sinnvoll, die grundsätzlich in schriftliche bzw. dialogorientierte Kanäle aufgeteilt werden können.
Zunehmende Bedeutung für die Nutzung im Change-Management erfahren die neuen digitalen Kommunikationskanäle (Intranet, Wikis, Blogs, Vodcast etc.), die bei großflächigen Transformationen und Konzernstrukturen besonders sinnvoll oder gar notwendig sein können. Über Vodcasts können beispielsweise direkte Botschaften des Top-Managements nahezu zeitgleich an alle Mitarbeiter weltweit vermittelt werden. Qualifizierungsoffensiven können über E-Learning-Portale wirkungsvoll in die Fläche gebracht werden. Es gibt viele neue Möglichkeiten durch diese Technologien und die Entwicklung wird weiter voranschreiten mit sicherlich zunehmend steigendem Nutzen auch fürs Change-Management.
Und dennoch darf nicht übersehen werden, dass es im Interesse von Wirkung, Glaubwürdigkeit, Überzeugung, Einstellungsänderung usw. zu dialogorientierten Präsenzveranstaltungen mit den Mitarbeitern keine genauso gut geeignete Alternative gibt. Darüber hinaus rechnen sich manche dieser technologischen Invests auch erst ab einem bestimmten Volumen.
Und last but not least: obwohl die Generation der „digital Natives“ in der Arbeitswelt beständig wächst, würde der Einsatz dieser Technologien in vielen Unternehmen bzw. auch einigen Branchen aktuell noch auf zu wenig Akzeptanz treffen.
Hinweis: Dieser Beitrag ist in Auszügen dem Buch “Change Management im Vertrieb – das Praxishandbuch für Entscheider” Haufe-Verlagsgruppe, entnommen
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