Open Space in Hamburg – an den Wänden hängen zahlreiche Karten mit Diskussionsthemen und Orten. In den Ecken stehen Gruppen und diskutieren lebhaft über neue Formen der Zusammenarbeit, Freiräume, Partizipation, Selbstorganisation und Potenzialentfaltung. Die Arbeitswelt verändert sich nicht erst seit gestern. Daher interessiert sich jeder brennend für das Thema Veränderungsfähigkeit von Unternehmen. Wir fragen uns wo geht die Reise hin? Dieser Frage geht auch der Film Augenhöhe nach. Er zeigt Unternehmen, die den Wandel gestalten und Entscheidendes anders machen.

 

Beispiele für die Veränderungsfähigkeit für eine neue Arbeitswelt

Nicht alle gezeigten Unternehmen sind so ungewöhnlich wie Premium Cola. Eine kleine Getränke Firma, die über ein Internet-Kollektiv ohne Gewinn- und Wachstumsziele organisiert ist. Alle Gründer, Lieferanten, Händler und Kunden sind gleichberechtigte Partner und dürfen mit entscheiden. Auch ein Unternehmen aus dem Brandschutz namens hhp berlin hat verstärkt mitbestimmende und selbstorganisierende Strukturen eingeführt. Hier können in festen Teams organisierte Mitarbeiter jederzeit eigeninitiativ Projekte anstoßen und sich in Projektgruppen verbinden. Der Film zeigt jedoch nicht nur Start-ups. Auch andere Unternehmen wie Unilever, Sparda Bank München etc. haben neue Strukturen und Projekte eingeführt. Medien und Fachmagazinen fassen dies oft unter dem Begriff New Work zusammen.

Inspiriert von den Eindrücken und Diskussionen, die der Film Augenhöhe angeregt hat, frage ich mich: Welche Faktoren begünstigen, dass Unternehmen überhaupt den Mut haben etwas wirklich Neues zu versuchen? Warum scheint es manchen leichter zu fallen als anderen? Kann ein Faktor, der die Veränderungsfähigkeit von Unternehmen beeinflusst, ihr eigenes Selbstbild sein? Denn in der aktuellen Ausgabe des Harvard Business Manager wird geschrieben, wer sich für wandlungsfähig hält und an seinen Fähigkeiten arbeitet, ist gegenüber anderen klar im Vorteil.

 

Veränderungsfähigkeit: Welche Rolle spielt das Selbstbild?

Carol Dweck, Professorin für Psychologie an der Universität Standford, ist der Frage nachgegangen, wie Menschen mit Misserfolgen umgehen. Zentrale Erkenntnis, unser Denken bewirkt Erfolge und Niederlagen. Abhängig von unserem Selbstbild, sehen wir in Misserfolgen eine Chance oder das große Scheitern. Menschen mit statischem Selbstbild, sehen Begabung als eine Eigenschaft, die sie besitzen oder an der es ihnen mangelt. Menschen mit dynamischem Selbstbild hingegen, genießen Herausforderungen. Sie wollen dazulernen und finden Wege, sich neue Fähigkeiten anzueignen. Ihr Handeln ist auf Wachstum ausgerichtet. Nicht unser Talent ist also entscheidend für den Erfolg, sondern auch unser Selbstbild.

Dweck, wollte wissen, ob die Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung sich auch auf Unternehmen übertragen lassen. Sie hat sich die Fragen gestellt:

 

Welche Folgen hat ein statisches oder dynamisches Selbstbild für die Veränderungsfähigkeit von Unternehmen?

Die Professorin und ihr Team konnten zeigen, dass nicht nur die Übereinstimmung bezüglich des Selbstbildes der Organisationen groß war, sondern mit verschiedenen Mindsets auch unterschiedliche Merkmale einhergehen. In Unternehmen mit dynamischem Selbstbild, schätzen sich Mitarbeiter gegenseitig vertrauenswürdiger ein. Sie fühlen sich dem eigenen Arbeitgeber stärker verpflichtet und sagen, dass ihr Arbeitsgeber Innovationen fördert. Auch die Sicht von Führungskräften auf ihre Mitarbeiter unterscheidet sich. In Unternehmen mit dynamischem Selbstbild schätzen Führungskräfte ihre Mitarbeiter deutlich innovativer und kooperativer ein. Zudem schreiben sie ihnen eine höhere Lernbereitschaft und Interesse an Weiterentwicklung zu. In Unternehmen mit statischem Selbstbild hingegen, erlebten Mitarbeiter wirkliche Wertschätzung nur gegenüber einer kleinen Gruppe. Sie zeigten weniger Engagement und traten weniger für ihren Arbeitgeber ein als Mitarbeiter von Unternehmen mit dynamischem Selbstbild.

Insgesamt fand Dweck heraus, dass es weniger innovative Projekte gab, stattdessen Geheimniskrämerei und der Versuch, Ziele auf informellen Wegen zu erreichen. Ob Unternehmen mit dynamischem Selbstbild tatsächlich erfolgreicher sind, konnte das Team um Dweck noch nicht überprüfen. Jedoch gibt es Hinweise, dass solche Organisationen zufriedenere Mitarbeiter haben und eine innovativere sowie risikofreudigere Kultur. Sie sind offener gegenüber Veränderungen offener und sie können sich ihnen leichter an neue Bedingungen anpassen.

 

Was können Unternehmen mit einem statischen Selbstbild tun einen Wandel zu erleichtern?

Das Selbstbild eines Unternehmens zu verändern braucht seine Zeit. Dweck schlägt vor

  • den Fokus auf das Potenzial der einzelnen Mitarbeiter und deren Ausschöpfung zu lenken
  • für offene Stellen stärker interne Kandidaten zu entwickeln und dafür weniger externe Bewerber einzustellen
  • Potenzial, Leistungsvermögen und die Bereitschaft zu lernen in den Vordergrund zu stellen, statt sich auf Zeugnisse und Titel zu verlassen

Auch sich mit der eigenen Unternehmenskultur auseinander zu setzen und dem Umgang mit Fehlern kann ein Anfang sein. Nur wer Fehler zulässt, ermöglicht Lernen und kann intern zeigen, dass es möglich ist neue, vorher nicht dagewesene Fähigkeiten, im Unternehmen über die Zeit zu entwickeln. Die Beispiele in dem Film klingen schön, doch bedeutet Partizipation und Selbstorganisation oft mehr Arbeit und immer mehr Verantwortung – das will gelernt sein und braucht Zeit.

Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden. Was häufig bereits in der Startphase von Veränderungen herausfordernd ist. Denn Vorstellungen, was und vor allem wie stark verändert werden soll, sind meist sehr unterschiedlich. Manchmal ist ein radikaler Schnitt der richtige Weg und manchmal ein behutsames evolutionäres Vorgehen angemessen. Was immer eine zentrale Rolle spielt ist Führung. Nur wenn Führungskräfte Freiräume für das Lernen innerhalb einer Organisation schaffen, Fehler akzeptieren und nutzen, bereit sind Verantwortung abzugeben und zu vertrauen, dann kann Veränderung stattfinden.

 

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