Ein Abteilungsleiter arbeitet mit einem Team sehr selbstbewusster Experten. Seine Leute beherrschen ihr Metier erstklassig und haben Freude an ihrer Aufgabe. Jetzt steht, vom Vorstand beschlossen, eine Veränderung ins Haus: Zuständigkeiten sollen neu definiert und umgeschichtet werden. Der Abteilungsleiter weiß in diesem Moment, dass die Neuerung vielen aus seinem Team nicht gefallen wird – milde ausgedrückt. Der Anordnung aber muss er Folge leisten. Mit welchem Führungsstil kann er seine Mitarbeiter wirklich für die Veränderung begeistern?

 

  1. Der Abteilungsleiter ordnet an, wo es langgeht – ohne Wenn und Aber,
  2. Er erklärt die Ziele der Veränderung und gibt seinen  Mitarbeitern Gelegenheit zu Rückfragen,
  3. Er bindet Mitarbeiter in Teilbereiche und Entscheidungen ein,
  4. Er gibt ganze Bereiche in die eigenständige Verantwortung von Mitarbeitern beispielsweise an Führungskräfte, die ihm unterstehen.

Die US-amerikanischen Unternehmer Paul Hersey (*1930) und Ken Blanchard (*1939) haben das Modell der situativen Führungstheorie entwickelt. Hersey hat begleitend als Verhaltensforscher, Blanchard als Soziologe und Philosoph an verschiedenen Universitäten gelehrt. „Die situative Führungstheorie“ skizziert vier Grundtypen von Führungsstilen, die jeweils vier unterschiedliche Gewichtungen im Beziehungsmoment und in der Aufgabenorientierung haben.

  • Unter Beziehungsmoment verstehen die beiden Forscher die emotionale Nähe zwischen Chef und Mitarbeitern und damit auch das (unter-)stützende Moment zur Förderung von Mitarbeitern, etwa durch den Aufbau von Vertrauen. Das Beziehungsmoment ist von großer Bedeutung bei Unsicherheit der Mitarbeiter.
  • Unter Aufgabenorientierung ist im Kontext der situativen Führungstheorie das Festlegen einer bestimmten Aufgabe für einen bestimmten Mitarbeiter gemeint. Die systematische Führungskraft etwa setzt im extremen Maße auf ‚vorgefertigte‘ Aufgabenfelder, im Rahmen derer die Mitarbeiter nur noch sehr wenig Gestaltungsspielräume haben.

Und wie wirken die vier unterschiedlichen Führungsstile jeweils in Wechselwirkung mit Beziehungsmoment und Aufgabenorientierung?

  • Beim Führungsstil Telling sagt der Chef, wo es langgeht und überwacht die Leistung. Hier ist das Beziehungsmoment gering ausgeprägt, die Aufgabenorientierung hoch.
  • Beim Führungsstil Selling erklärt der Chef, was er tut und gibt seinen Mitarbeitern Gelegenheit, genauer nachzufragen. Hier sind Beziehungsmoment und Aufgabenorientierung hoch.
  • Beim Führungsstil Participating diskutiert der Chef das Vorhaben mit den Mitarbeitern und ermutigt sie, am Entscheidungsprozess und der Gestaltung von Arbeitsschritten mitzuwirken. Hier ist das Beziehungsmoment hoch und die Aufgabenorientierung niedrig.
  • Beim Führungsstil Delegation gibt der Chef ganze Aufgabenbereiche ab, damit ausgewählte Mitarbeiter diese eigenverantwortlich betreuen können. Hier sind Beziehungsmoment und Aufgabenorientierung niedrig.
Mitarbeiter, die besonders selbstbewusst sind, sprechen am stärksten auf den Führungsstil Delegation an, Mitarbeiter, die sehr ängstlich sind, sprechen besonders auf Telling an: die Führungskraft sagt, wo es langgeh
Wie Führungskräfte ihre Mitarbeiter optimal motivieren

Dass beim Führungsstil Delegation das Beziehungsmoment niedrig angesetzt ist, mag im ersten Moment eigenartig anmuten. Es erklärt sich aber schlüssig aus dem ‚Typus‘ Mitarbeiter, der jeweils idealtypisch mit einem bestimmten Führungsstil korrespondiert. Ein selbstsicherer und selbstbewusster Mitarbeiter (und nur einem solchen wird ein kluger Chef ganze Aufgabenbereiche delegieren), ist auf die familiäre Wärme und Motivationskraft des Beziehungsmoments nur noch in geringem Maß angewiesen.

Aus solchen Überlegungen heraus, sprechen Hersey und Blanchard vom Reifegrad (maturity score), den die Mitarbeiter haben und schauen genau hin, welcher Führungsstil diesem Reifegrad angemessen ist. Kein Führungsstil ist richtig oder falsch. Richtig ist vielmehr: Je höher die Passung zwischen „Führungsstil und Reifegrad“ (s. hierzu Abbildung), desto stärker werden die Potenziale der Mitarbeiter freigesetzt. Auch hier unterscheiden Hersey und Blanchard wieder zwischen vier „Zuständen“ respektive Reifegraden. Jeder Reifegrad hat auch etwas mit dem Können, dem Wollen und dem Dürfen zu tun, aus denen die Motivation des Mitarbeiters erwächst.

  • Beim Maturity Score 1 weiß der Mitarbeiter wenig und ist kaum motiviert. Die fehlende Motivation (Wollen) kann in direkter Ablehnung der Aufgabe oder in Unsicherheit bestehen. Für diesen Mitarbeiter ist der Führungsstil „Telling“ am besten geeignet. Er arbeitet am effektivsten mit klaren Ansagen und Aufgabenzuweisungen.
  •  Beim Maturity Score 2 weiß der Mitarbeiter wenig, ist aber motiviert zu lernen. Für diesen Mitarbeiter ist der Führungsstil „Selling“ sehr geeignet. Sein Chef erklärt, warum was gemacht werden muss.  Er baut damit Vertrauen auf und Unsicherheit ab – und der Mitarbeiter weiß genau, was er zu tun hat.
  • Beim Maturity Score 3 verfügt der Mitarbeiter über die Fähigkeiten, um seine Aufgaben zu erfüllen. Er hat aber keine Lust dazu oder er ist unsicher. Für diesen Mitarbeiter ist der Führungsstil „Participating“ sehr geeignet. Sein Chef motiviert ihn, indem er ihn in Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse einbezieht und ihm relativ freie Hand in der Erfüllung seiner Aufgaben lässt.
  • Beim Maturity Score 4  ist der Mitarbeiter für seine Aufgabe befähigt und hochmotiviert. Für diesen Mitarbeiter ist der Führungsstil „Delegation“ ideal. Da er sehr selbstbestimmt arbeitet, braucht er keine Ermutigung und Erklärungen. Hier ist das eher kurativ geprägte Beziehungsmoment entbehrlich, könnte sogar als ‚Einmischung‘ interpretiert werden. Und dieser Mitarbeiter liebt es, seine Arbeit in hohem Maß selbst zu gestalten. Vorgaben demotivieren ihn eher.

Hinweis: Dieser Beitrag ist in Auszügen dem Buch “Change Management im Vertrieb – das Praxishandbuch für Entscheider” Haufe-Verlagsgruppe, entnommen

 

Category: Führung, Standpunkte