Widerstand ist der Regelfall im Change-Prozess. Denn wer löst sich schon gerne von Vertrautem? Der Change-Manager sollte sich daher auf jeden Fall auf Widerstand einrichten. Sollte wider Erwarten kein Widerstand bei den Mitarbeitern aufflackern, dann kann das unterschiedliche Gründe haben. Ob dies jedoch signalisiert, dass alle Akteure begeistert vom Veränderungsvorhaben sind, ist damit noch lange nicht gesagt.
In welchen Change – Szenarien könnte sich kein Widerstand bei den Betroffenen regen?
- Szenario 1: Das Veränderungsziel kann ohne großen Aufwand erreicht werden. Hier könnte ernsthaft darüber gestritten werden, ob das Veränderungsvorhaben tatsächlich einen tiefergehenden Wandel in unserem Sinne bedeutet.
- Szenario 2: Das Veränderungsziel wird von allen Betroffenen herbeigesehnt bzw. gewünscht. Dies haben wir in unserer jahrelangen Praxis nicht einmal erlebt. Aber wie dem auch sei: sollte das tatsächlich einmal der Fall sein, dann kann das dem Change-Verantwortlichen nur Recht sein.
- Szenario 3: Niemand glaubt mehr an die Umsetzung des Veränderungsvorhabens, weil bisher ähnliche bzw. gleiche Veränderungsbestrebungen allesamt mehr oder weniger gescheitert sind. Insofern macht sich auch jetzt niemand in dieser Organisation Gedanken oder gar Sorgen („daraus wird ja sowieso nichts“).
In diesem dritten Fall („daraus wird ja sowieso nichts“) ist das Fehlen von Widerstand sogar ein Alarmsignal für den aktuellen Veränderungsprozess. Das bedeutet, der Change-Verantwortliche sollte noch mehr Aufmerksamkeit und Intensität auf das Thema „Kommunikation“ legen. Im Sinne „Angriff ist die beste Verteidigung“ ist eine aktive Kommunikation erforderlich. Vor allem aber sollte der Change-Manager durch Taten bzw. „Quick-Wins“ schrittweise belegen, warum und dass es diesmal anders sein wird.
Wenn Widerstand verdeckt ausgelebt wird
Szenario 4: Der Change-Manager nimmt den Widerstand gar nicht wahr, weil er verdeckt ausgetragen wird; er ist also vorhanden und wird sich früher oder später wahrnehmbar auswirken – dann mit dem Nachteil, dass bis dahin eine Menge an Produktivität verloren gegangen ist.
Daher ist unser Fazit: es gibt keine wirkliche Veränderung ohne Widerstand! Das Auftreten von Widerstand ist also im Grunde etwas ganz „Normales“, etwas, was nicht zu verhindern ist, etwas, was zu erwarten ist.
Die entscheidende Frage ist dann in der Tat: wie kann man mit dem Widerstand möglichst professionell umgehen? Wobei Professionalität im Sinne des Change-Managements immer wieder vor dem Hintergrund unerwünschter Fluktuationen und Produktivitätsverlust zu sehen ist.
Widerstand als lästiges Übel?
Wenn eine Führungskraft von einem Veränderungsziel für ihren Verantwortungsbereich überzeugt ist, wenn darüber hinaus etliche Impulse und Bestätigungen von außen und innen kommen, dass jetzt diese und nur diese Entwicklung für das Unternehmen richtig und notwendig ist, dann wird diese Führungskraft jede Form des Widerstands seitens ihrer Mitarbeiter oder der an sie berichtenden Führungskräfte nur als lästiges Übel empfinden.
Zielerreichung per Anordnung? Wenig professionell
Am liebsten würde der Change-Verantwortliche in einem solchen Fall wohl anordnen wollen, dass jeder das ausgelobte Veränderungsziel nicht nur zu akzeptieren hat, sondern sogar alles in seinen Möglichkeiten liegende unternehmen sollte, um dieses Ziel zu erreichen. Empfindet ein Change-Verantwortlicher in dieser Art, so ist dies menschlich absolut verständlich; eine Führungskraft, die in diesem Kontext per Anordnung handelt, wäre aber wenig professionell.
Druck erzeugt im Regelfall noch mehr Widerstand
Mit „Anordnungen“ gegen vorhandene Widerstände entstehen noch größerer Widerstand und Blockaden oder es entwickelt sich sogar eine Wanderungsbewegung „in den Untergrund“. Und hier wird Widerstand auf längere Sicht noch aufreibender und vor allem noch kontraproduktiver wirken.
Wenn Sie als Verantwortlicher den Widerstand nicht persönlich nehmen, ihn gar als etwas üblicherweise Auftretendes begreifen, dann erhalten Sie die notwendige Gelassenheit, hinter mögliche Ursachen des Widerstands zu schauen, um daraus hilfreiche Erkenntnisse fürs das weitere Vorgehen oder sogar für eine Feinjustierung am Veränderungsziel oder Vorgehen selbst zu gewinnen.
Hinweis: Dieser Beitrag ist in Auszügen dem Buch “Change Management im Vertrieb – das Praxishandbuch für Entscheider” Haufe-Verlagsgruppe, entnommen